Vernissage

Gefüttert von einer Attitüde, die Luxus anmuten lässt und schlechter Geschmack schreit, bohrte sich zuversichtlich ein Eindruck herablassender Missbilligung in ihr guthäusiges Fremdbild. Der, der dieses Bild in seinem Kopf weniger malte, als von den Ereignissen gestalten ließ, verlagerte sein Gewicht von Innen- auf Außenriss, drehte die Augen kurz in den befreienden freien Raum hinter der groß Maulenden, und kippte sein Glas in einem ambitionierten Zug. Wer spricht so? Wer zeigt solche Eigenschaften, und vermittelt dabei so unbeholfen den Eindruck von Überlegenheit? Und wo könnte er lernen, das gleiche zu tun, nur besser? Die Plattitüden flossen weiterhin aus ihrem Goldmund, der bei jeder Silbe mitschwingen ließ, noch nie Hunger gekannt zu haben, nie Wartezeit und auch nie: Rast. Rast ist der Freund der Armut, könnte ihr Leitspruch sein, mutmaßte er. Sie schenkte ihre Ansichten weiter aus, als eine Servierdame – er hatte bei kurzem Flirt ihren Namen schon herausgefunden: Sandra – herbeigefräuleint wurde, um die leeren Sektkelche zu füllen. Da platzte es aus ihm heraus, Sandra, lass bitte gleich die Flasche da, ich vermute, ich brauch sie hier noch. Der Rufadel zeigte Missbilligung durch eine so subtile Geste, dass sie nur Internatsleitungen und Tanzschulgründer_innen ins Gesicht gesprungen wäre. Ja, man muss sich betrinken, um diese Feier zu ertragen. Sandra aber kicherte nur, wissend, verschwörerisch, ohne den Erträglichmacher und seine schwere Hülle auf dem Bistrotischchen, um das sie standen, zurückzulassen. Hatte er gescherzt? Nein! Im Kopf der Schnöselin formte sich der Gedanke, sicher kein Trinkgeld zu geben — wer so kichert, der hat’s wohl schon gut genug — eine sinnlose Überlegung, da die Getränke schon von der Galerie bezahlt waren. Was hielt ihn denn, außer vielleicht die gute, wenn auch nervende Unterhaltung, die die Person darstellte? Plaudere sie doch, das Zuhören war ihm weder Anliegen noch ernste Last. Es war das Ungesagt, das plakativ Demonstrierte, was ihm die gleichzeitige Präsenz mit ihr schmacklos machte. Er kippte ein weiteres Glas, während sie zwei mal nippte, danach richtete er sich auf, sah ihr tief in die blau! geschminkten Augen und sagte in das Gesicht, dem jeder Test die Hunderasse Pom Pom oder Mops ans angesteinerte Herz gelegt hätte: „Du, es tut mir leid. Ich glaub mit uns zweien wird’s heut Nacht nichts mehr“, und ging. Verdutzt und überlegend, ob das strafrechtlich relevant war, kippte sie ihr Glas und fräuleinte sich ein nächstes. Stehen blieb sie jedoch alleine.

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