Der Nachbarn Meerschweine quieken. Vor nicht sehr langer Zeit hatte ich selbst noch Meerschweinchen, dumme Tiere. Sie wurden - daran war ich allerdings schuld und will es ihnen ja nicht anlasten - nie zahm, und litten, sogar, wenn ich ihnen Futter ins Gehege gab - und sie taten nichts lieber, als zu fressen! - unter der existenziell-bedrohlichen Angst einer weltbewussten Ameise vor dem Fuß des Menschen, einer willkürlichen Macht, die sie nicht verstanden, und - hier lag mein erwähntes Verschulden - auch nicht gewohnt waren. Es ist anscheinend so, dass man, wie man einem alten Hund, laut Sprichwort, keine neuen Tricks mehr beibringen kann, Meerschweinchen ab einem gewissen Alter, das ich auf fünf Tage schätze, die Scheu und Androphobie, selbst wenn nie bestätigt oder berechtigt, nicht mehr nehmen kann. Die Zeit jedoch, wo es möglich gewesen wäre, habe ich, dank vollem Terminkalender und mangelnder Selbstdisziplin in desaströser Kombination, verpasst. Wer aber sollte den putzigen Flauschern verdenken, wenn sie sich stoß betend in ihrem Haus verkrochen, die Fenster zubretterten und das Radio aufdrehten? Natürlich wollte ich ihnen nichts böses, selbstverständlich hätten wir gut gemeinsam auskommen können, aber warum mir vertrauen? Weil ich Futter gab? Wie gnädig, nicht verhungern zu lassen. Weil ich das bestriechende Heu besorgte? Woher sollten sie den Unterschied kennen? Sie hatten doch gar kein Bewusstsein dafür, dass es Heu auch gratis im ersten Bezirk gegeben hätte, das grausliche gelbe Zeug, dass Pferde essen müssen, oder, noch schlimmer, schon gegessen haben! Und war das an nostalgisierte Bauernhofurlaube erinnernde Heu nicht auch aus Eigennutz gekauft? Verwahrloste Wohlstandsschweine waren es, und mein Programm konnte sie nicht ansprechen. So war es eines Tages soweit gekommen, dass ich die Tiere, trotz aller Sympathie (meinerseits natürlich), nicht mehr (be-)halten wollte. In ihrem gülden Gehege mangelte es an nichts, sie fraßen vom grünen Heu und Biokarotten, aber in meinen Augen taten sie vor allem zweierlei: lärmen und vegetieren. Ich hatte die Hoffnung nie ganz aufgegeben, dass, nur mit einer regelmäßigen Zuwendung von einer Stunde pro Tag, sie sicher sozialisiert und handzahm geworden wären, aber mir war, nach so vieler fehlgeschlagener Versuche klar, dass sie nie aus meiner Hand fressen würden. Sie würden mit mir den Rest ihres langen Lebens genausowenig Spaß haben, wie - leider - ich mit ihnen mittlerweile hatte. Auf eine Annonce im Netz antwortete eine Frau Doktor mit Kindern, die zu ihren vier Meerschweindamen gern noch mein Pärchen nehmen wollte, und bald holte die Familie meine Haustiere ab. Ich schenkte ihnen den teuren Käfig, der als Refugium im Auslauf diente, und sie verschwanden aus meinem Leben.
Heute, dank dünner Mauern, denke ich zum ersten Mal in langer Zeit an sie. Sie wurden sicher unbenannt, vielleicht sind sie mittlerweile durch Geduld und Zeitaufwand gezähmt, vielleicht können sie schon Apportieren und Agility. So oder so haben sie es jedenfalls jetzt besser, denke ich. Abschied ist eben so eine Sache. Selbst in Momenten, wo er gut ist, ist er selten willkommen.
Meerschweinchen
Der Nachbarn Meerschweine quieken. Vor nicht sehr langer Zeit hatte ich selbst noch Meerschweinchen, dumme Tiere. Sie wurden - daran war ich allerdings schuld und will es ihnen ja nicht anlasten - nie zahm, und litten, sogar, wenn ich ihnen Futter ins Gehege gab - und sie taten nichts lieber, als zu fressen! - unter der existenziell-bedrohlichen Angst einer weltbewussten Ameise vor dem Fuß des Menschen, einer willkürlichen Macht, die sie nicht verstanden, und - hier lag mein erwähntes Verschulden - auch nicht gewohnt waren. Es ist anscheinend so, dass man, wie man einem alten Hund, laut Sprichwort, keine neuen Tricks mehr beibringen kann, Meerschweinchen ab einem gewissen Alter, das ich auf fünf Tage schätze, die Scheu und Androphobie, selbst wenn nie bestätigt oder berechtigt, nicht mehr nehmen kann. Die Zeit jedoch, wo es möglich gewesen wäre, habe ich, dank vollem Terminkalender und mangelnder Selbstdisziplin in desaströser Kombination, verpasst. Wer aber sollte den putzigen Flauschern verdenken, wenn sie sich stoß betend in ihrem Haus verkrochen, die Fenster zubretterten und das Radio aufdrehten? Natürlich wollte ich ihnen nichts böses, selbstverständlich hätten wir gut gemeinsam auskommen können, aber warum mir vertrauen? Weil ich Futter gab? Wie gnädig, nicht verhungern zu lassen. Weil ich das bestriechende Heu besorgte? Woher sollten sie den Unterschied kennen? Sie hatten doch gar kein Bewusstsein dafür, dass es Heu auch gratis im ersten Bezirk gegeben hätte, das grausliche gelbe Zeug, dass Pferde essen müssen, oder, noch schlimmer, schon gegessen haben! Und war das an nostalgisierte Bauernhofurlaube erinnernde Heu nicht auch aus Eigennutz gekauft? Verwahrloste Wohlstandsschweine waren es, und mein Programm konnte sie nicht ansprechen. So war es eines Tages soweit gekommen, dass ich die Tiere, trotz aller Sympathie (meinerseits natürlich), nicht mehr (be-)halten wollte. In ihrem gülden Gehege mangelte es an nichts, sie fraßen vom grünen Heu und Biokarotten, aber in meinen Augen taten sie vor allem zweierlei: lärmen und vegetieren. Ich hatte die Hoffnung nie ganz aufgegeben, dass, nur mit einer regelmäßigen Zuwendung von einer Stunde pro Tag, sie sicher sozialisiert und handzahm geworden wären, aber mir war, nach so vieler fehlgeschlagener Versuche klar, dass sie nie aus meiner Hand fressen würden. Sie würden mit mir den Rest ihres langen Lebens genausowenig Spaß haben, wie - leider - ich mit ihnen mittlerweile hatte. Auf eine Annonce im Netz antwortete eine Frau Doktor mit Kindern, die zu ihren vier Meerschweindamen gern noch mein Pärchen nehmen wollte, und bald holte die Familie meine Haustiere ab. Ich schenkte ihnen den teuren Käfig, der als Refugium im Auslauf diente, und sie verschwanden aus meinem Leben.
Heute, dank dünner Mauern, denke ich zum ersten Mal in langer Zeit an sie. Sie wurden sicher unbenannt, vielleicht sind sie mittlerweile durch Geduld und Zeitaufwand gezähmt, vielleicht können sie schon Apportieren und Agility. So oder so haben sie es jedenfalls jetzt besser, denke ich. Abschied ist eben so eine Sache. Selbst in Momenten, wo er gut ist, ist er selten willkommen.
Heute, dank dünner Mauern, denke ich zum ersten Mal in langer Zeit an sie. Sie wurden sicher unbenannt, vielleicht sind sie mittlerweile durch Geduld und Zeitaufwand gezähmt, vielleicht können sie schon Apportieren und Agility. So oder so haben sie es jedenfalls jetzt besser, denke ich. Abschied ist eben so eine Sache. Selbst in Momenten, wo er gut ist, ist er selten willkommen.
Meerschweinchen