Umringt von alten Häusern und engen Straßen pfropft sich eine kleine Kirche in die Landschaft, alles überragt sie mit ihrem phallischen Turm und mehrmals täglich läuten ihre Glocken, um die Unterdrückung der Menschheit zu feiern. Als deutliches Symbol, von allen missverstanden ist die Kirche in Tote gebettet, deren Gräber, rund um die alten Mauern, den Kindern auch noch das Spielen vermiesen. Die Grabsteine sind alt, der neue Friedhof liegt schon etwas weiter außerhalb, nur die Namen sind noch nicht gestorben, die wenigen Familien, die das Dorf noch nicht verlassen haben, werden auch hier noch aussterben. Großeltern und Eltern leben hier, und ein paar wenige Kinder, die noch zu klein sind, sich zu wehren oder zu fliehen. Zu wehren hatte auch sie sich versucht, erfolglos. Es blieb ihr dann nur das Zurücklassen für eine bessere Zukunft. Die mutigsten Erinnerungen, die sich aus ihrer Kindheit erhalten haben, sind an den Friedhof, wenn irgendeine Tante oder irgendein Onkel oder irgendeine Großmutter oder irgendein Großvater starb. Es starb immer gerade jemand, und die Gelegenheit, auf dem Friedhof ein bisschen zu spielen, nutzte sie gerne. Da waren die Leute alle versammelt in der Kirche, jammerten und hörten sich Liebesbriefe an, die die Kleine nicht verstand, denn Liebe hatte sie noch nicht erlebt. Erst sehr viel später sollte sie – egal. Liebe ist egal, wenn Götter sprechen. Und so sprach Gott von den Toten, und dann beteten die Lebenden, und dann trugen ein paar Leute den Sarg hinaus, und dann gingen sie zum Friedhof hinüber, an den schweren Zäunen vorbei, und wackelten langsam dem Priester hinterher. Noch mehr beten, und irgendwann übergeben sie den Leichnam der Erde. Und weg war die Tante. So viel Geheul, dass die Kleine nicht verstand. Egal, was da gesagt wurde, die Tante war keine gute Person gewesen, einmal nämlich hatte die Tante sogar der Kleinen eine runtergehaut, weil … sie wusste gar nicht mehr, weswegen. Es gab wahrscheinlich auch keinen Grund. Vielleicht wollte die Kleine fernschauen, und hatte dies artikuliert. Die Tante war eine Cholerikerin gewesen, eine fromme Frau in der Kirche, eine einsame Frau im Haus und eine wütende Frau zu anderen. Als die Kleine sich bei den Eltern beschwerte, bekam sie dann noch eine gescheuert, kann sie sich erinnern. Was fällt ihr auch ein, schlecht über die Tante zu reden. Das mit den Eltern hatte sie dann niemandem mehr weitergesagt. Sie erwähnte es nicht einmal in ihrem stillen Abendgebet, weil wer weiß, ob ihr der liebe Gott dann nicht gleich als nächster eine schmiert.

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