Warteposition

Wieder weicht sie seinem Kuss aus. Wie penetrant er sich an sie klettet. Es ist doch so offensichtlich, dass sie von ihm keine Nähe - eigentlich überhaupt nichts - will. Ihre Körpersprache spricht neongelb hinterlegtes Hochdeutsch mit Betonungsstrichen, ihn kümmert das wenig. Er wird sich kein Ende einreden lassen von ihr. Sie wird ihm das Herz gebrochen haben, das wird er später erzählen. Völlig unerwartet. Die Weiber sind auch alle gleich. Wird er bestätigt sehen. Dabei sagt sie doch alles, was man sagen muss, er hört nur nicht zu. Sie sagt so deutlich "eigentlich: nein", sie traut sich natürlich nicht, den Mund aufmachen. Ist auch besser für ihn, sonst bricht ihm noch das Herz. Er ist ja eh nett, aber so eine Klette! Sie fühlt sich schuldig, weil er doch so sehr verliebt ist. Liebe ist wie ein Brief vom Finanzamt. Und aus Angst vor seinen verletzten Gefühlen und weil sie ja ihre eigentlich eh nicht runterschluckt, aber er von ihr wenig mitbekommt außer dem, was er sich holt, küsst sie ihn dann, umschlingt ihn und hält ihn und klammert: mit etwa einem Zentimeter Distanz. Tatsächlich, ein Psychologieskriptum hat locker zwischen ihrem Bauch und seinem Bauch Platz, das merkt er aber garnicht. Fröhlich wie ein beachteter Hund geht er vielmehr zum Gegenangriff über. Liebe ist wie eine Partie Schach. Als er sich am Zug sieht, zieht sie sich wieder zurück hinter die Bauern ihrer wahren Gefühle. Hin und her plänkelt es so, ohne Rücksicht oder Aufmerksamkeit für- oder aufeinander. Und würde er sagen "Ich liebe dich", was könnte sie antworten, außer "Mhm".

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